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Magda hatte Angst vor Spinnen. Nicht vor den kleinen, krabbeligen, die sich im Winter manchmal ins Haus verirrten. Nicht vor den Kreuzspinnen, die sich im Sommer so zarte silbrige Netzte woben. Nein, Magda hatte Angst vor den riesigen schwarzen Spinnen, die nachts  kamen und mit ihren Klauen an ihrem Fenster schabten.
Ihre Mutter glaubte ihr nicht. „Es sind die Äste der Birke, die nachts gegen dein Fenster pochen. Wir können die Äste kürzen.“
Ihr Vater glaubte ihr nicht. „Es sind die Insekten, die nachts gegen dein Fenster patschen. Wir können die Gardinen zuziehen.“

„Es ist kein Pochen und kein Patschen. Es sind auch keine Äste oder Insekten. Es sind  riesige schwarze Spinnen, die mit ihren Klauen an meinem Fenster schaben.“

Die Mutter ging in den Garten und schnitt die Äste der Birke. Magda zeigte auf die Spuren der Spinnen im Schnee, aber die Mutter glaubte ihr nicht.

„Es ist Tauwetter“, sagte sie und wischte die Spuren fort.

Der Vater ging in Magdas Zimmer und zog die Gardinen zu. Magda zeigte ihm die Kratzspuren an der Fensterscheibe, aber der Vater glaubte ihr nicht.

„Die Scheibe ist ganz schön alt“, sagte er und wischte mit dem Ärmel über das Glas.
In dieser Nacht weinte sich Magda in den Schlaf. Sie schlief tief und fest und wäre vielleicht nicht aufgewacht. Nicht einmal von den schabenden Klauen der riesigen schwarzen Spinnen. Wenn die Mutter nur nicht noch mal nach den Ästen hätte sehen wollen. Wenn der Vater nur nicht noch mal nach den Gardinen hätte sehen wollen. So betrat der Vater das Zimmer, betrachtete lächelnd das schlafende Mädchen und ging dann zum Fenster. Er zog die Gardinen kurz zurück, blickte hinaus und schrie und schrie und schrie.  Draußen verschleppte gerade eine gewaltige schwarze Spinne die ohnmächtig gewordene Mutter. Er schrie immer noch als er das Fenster aufriss. Magda schreckte aus dem Schlaf hoch und sah gerade noch ihren schreienden Vater aus dem Fenster klettern, sich an der Gardine verhaken, über den Sims stolpern und so unglücklich gegen  die Birke krachen, dass er bewusstlos liegen blieb. 

Magda hatte Angst vor Spinnen, große Angst. 

Magda sprang auf, rannte zum Fenster, sauste über ihren Vater hinweg in die Dunkelheit. Sie wusste was passiert war. Magda rettete ihre Mutter. Sie befreite sie aus den Klauen der Spinne, schaffte sie wieder nach Hause und legte sie, immer noch ohnmächtig, ins Bett. Den Vater, mit einer großen Beule auf der Stirn, legte sie dazu. Dann ging sie schlafen. Magda schlief. Tief und fest. Bis zum nächsten Morgen.

Die Eltern erinnerten sich an nichts. Sie lächelten, als sie Magda sahen und freuten sich, dass sie endlich einmal gut geschlafen hatte. Nur als eine kleine schwarze Spinne von der Decke fiel und über den Tisch krabbelte, wurde Magdas Mutter blass und Magdas Vater zitterte ein wenig. Magda hob die kleine Spinne auf und trug sie in den Garten. „Ich habe keine Angst vor Spinnen“, sagte Magda und das stimmte.
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