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Friedrich Kemm hatte einen Lieblingsplatz.  Wann immer er Zeit fand und das Wetter es zuließ, rief er Anton, seinen jungen Riesenschnauzer, zu sich und machte sich auf den Weg zum Wald. So auch heute. Herbst war es und das Wetter war feucht, aber noch recht warm. Pilzwetter. Friedrich hatte an den kleinen Korb und das Messer gedacht. Die Bäume fingen langsam an warme freundliche Farben anzunehmen. Friedrich mochte dieses gewaltige Aufleuchten von Freude und Lebenskraft, bevor die Blätter zu Boden schwebten und  später zu braunen Gerippen verfielen.

Er dachte kurz an Gertrud und lächelte in sich hinein. Es war nicht ihre Jahreszeit gewesen. Sie mochte die heißen Sommertage, verbrachte sie am liebsten braun gebrannt am Meer. Mal Gran Canaria, dann wieder Mallorca. Er war mitgefahren. Immer. Hatte flach atmend im Schatten gekauert, fast verzweifelt beobachtet, wie sich seine helle Haut rot verfärbte. Dann konnte er das Hotelzimmer nicht mehr verlassen. Litt Qualen. Sonnenbrand und Eifersucht. Denn Gertrud wurde jeden Tag schöner und fröhlicher und versteckt hinter der Gardine konnte er sie sehen.  Lachend, den Arm um die Hüfte irgendeines südländischen Typen geschlungen.

Er lächelte wieder. Nun ,das war ein für alle Male vorbei. Diesen Sommer hatte er das erste Mal seit 25 Jahren in den Bergen verbracht. War gewandert , durch Wälder gestreift und hatte sich fast zufällig einen Lebenstraum erfüllt. Ein Wurf erstklassiger Riesenschnauzer erwartete ihn in der Scheune seiner Zimmerwirtin. Anita Schmitt, eine dralle Schönheit, die ihn auch sonst auf vielerlei Weise überrascht hatte. Sie schenkte ihm einen der  Hunde als Erinnerung und er lehnte nicht ab, hatte keines ihrer Angebote abgelehnt.

Aber jetzt war der Herbst da. Friedrich überquerte die viel befahrende Straße und freute sich über die Stille im Wald. Einmal war er nachts hier gewesen, nur einmal und da war die Stille erdrückend gewesen, greifbar. Damals hatte er gekeucht und geschwitzt, trotz der Frühlingskälte.  Aber jetzt war alles gut. Er folgte dem schmalen Waldweg , Anton verbellte ein paar Amseln, dann öffnete sich der Wald nach Süden und Felder lagen vor ihnen. Er setzte sich auf eine Bank und genoss die Fernsicht. „Es ist wunderbar hier“,sagte er laut,“nicht war Gertrud?“, fügte er leise lachend hinzu. Friedrich wandte sich nach links, dort lag der alte gestürzte Holunderbusch. Hier war der Boden so weich und nahrhaft. Bester Waldboden. Und nur hier wuchsen sie. Judasohren. Diese kleinen geleeartigen Pilze. Eine Delikatesse. Nur auf totem Holunderholz wuchsen sie, dann wenn der Boden ganz besonders nährstoffreich war.

 Langsam und genießerisch glitt das Messer durch die schwarze Masse, fast so wie durch menschliches Fleisch. Er lächelte wieder. Als der Korb voll war, streckte er sich,pfiff nach seinem Hund und nickte kurz in Richtung des alten Baumes.“Danke schön für die Pilze, Gertrud.“, rief er fröhlich und machte sich auf den Weg nach Hause.

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